Nachwuchs im Hundehaushalt
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Ist die eigene Hündin trächtig, kommt einiges auf die Halterin oder den Halter zu. Sowohl vor als auch nach der Geburt. Währenddessen erledigt sich mit etwas Glück alles von selbst.
Daniela Poschmann
«Plötzlich hörten wir ein Gequietsche, da waren schon drei Babys da. Nach gut zehn Stunden waren es elf Welpen, darunter eine Totgeburt, die Mira gleich aufgefressen hat. Mira hat alle Welpen selbst abgenabelt und war wirklich sehr selbstständig», schildert Andrea F. aus Luzern. Zwar sei nach zwei Tagen der schwächste Welpe gestorben, dennoch liessen Andrea und ihr Mann der Natur freien Lauf und die dreijährige Briard-Hündin eigenständig walten. «Und es klappt bis jetzt prima. Die neun Welpen nehmen jeden Tag zu und sind fit», freut sie sich.
Dass alles so reibungslos gelaufen ist, ist nicht selbstverständlich. Laut Julika Fitzi-Rathgen von der tierärztlichen Beratungsstelle des STS kann man zwar nicht pauschal sagen, wann es zu viele Welpen sind, naturgegeben wären es aber höchstens fünf pro Wurf: «Die Natur hat eigentlich zwei Zitzen pro Welpe vorgesehen – meist haben die Hündinnen zehn Zitzen, das heisst mehr als fünf Welpen sollten sie gar nicht haben.» In der Zucht sehe das allerdings oft anders aus. «Man muss leider davon ausgehen, dass gerade bei den Welpenvermehrern die Hündinnen bevorzugt belegt werden, die auch ‹grosse› Würfe geben», gibt die Tierärztin zu bedenken. In solchen Fällen – ebenso wenn das Muttertier gestresst, krank oder älter ist oder es an guter Haltung und Ernährung mangelt – kann es auch schon mal eng werden mit der Milchproduktion.
Die Temperatur verrät es
Um die trächtige Hündin optimal zu unterstützen, sollte man ihr bereits vor der Geburt eine bequeme Wurfbox einrichten. Ob sie trotz guter Gesundheit regelmässig untersucht werden sollte, hängt von ihrem Charakter ab. Geht sie gern in die Transportbox oder hat sie Angst? Kommt sie mit Tierarztbesuchen gut klar oder ist es immer eine Tortur? Bei ängstlichen Tieren rät Fitzi-Rathgen zu einem tierärztlichen Hausbesuch.
Da die Trächtigkeit bei 56 bis 72 Tagen liegt, kommt das grosse Ereignis bisweilen überraschend. Wer genau wissen will, wann es so weit ist, der misst. Und zwar ab dem 50. Tag zweimal täglich die Rektaltemperatur des Muttertiers – vorausgesetzt, dies löst nicht zu viel Stress aus. Während die Temperatur bis eine Woche vor der Geburt bei 38,5 bis 39 Grad liegt, sinkt sie einen Tag vorher auf etwa 37 Grad ab. Nun wird die Hündin auch unruhig, dreht sich im Kreis, hechelt vermehrt und hat aufgrund der – noch nicht sichtbaren – Wehen Bauchschmerzen. Appetit hat sie nun kaum noch, stattdessen erbricht sie sich mitunter. Steigt die Temperatur wieder an, steht die Geburt unmittelbar bevor und der Muttermund öffnet sich bereits.
Hygiene und Sozialisierung
Sobald die Wehen den ersten Welpen in den Gebärmutterhals geschoben haben, beginnt die Austreibungsphase. Die Wehen verstärken sich und sind nun sichtbar. Fruchtwasser wird freigesetzt, und nach spätestens einer Stunde gleitet der erste Welpe heraus. Möglicherweise noch von Fruchthüllen umgeben, welche die Hündin öffnen muss, damit er
atmen kann. Danach säubert sie ihn und beisst die Nabelschnur durch. Instinktiv leckt sie ihr Junges intensiv ab und regt damit wichtige Körperfunktionen wie Atmung, Kreislauf und Ausscheidung an. Meistens werden mehrere Welpen kurz nacheinander geboren. Dann kommt es zu einer Pause, die in seltenen Fällen bis zu vier Stunden dauert. Nach zwölf Stunden sollten sämtliche Welpen und Nachgeburten draussen sein. Verzögerungen kommen zustande, wenn ein Welpe tot ist und querliegt. Ein weiteres Problem, das eher bei kleineren Hündinnen auftritt, ist, dass die Welpen zu gross sind und nicht durch den Beckenring passen. Kompliziert wird es häufig auch bei Erstgebärenden und älteren Hündinnen, die bereits mehrmals geboren haben. Daher empfiehlt Julika Fitzi-Rathgen zwischen den Trächtigkeiten mindestens anderthalb Jahre Abstand zu lassen. Ausserdem seien bestimmte Rassen prädestiniert für Komplikationen, darunter Hunde mit runden, kurzen Köpfen wie Bulldoggen, Chihuahuas, Möpse und Boston Terrier. Auch Hunde, bei denen der Brustkorb im Vergleich zum Becken breit und massiv ist wie etwa bei den Französischen und Englischen Bulldoggen, sind laut Fitzi-Rathgen gefährdet.
Wer denkt, die grösste Arbeit sei nun erledigt, der irrt. Nun geht es um die richtige Haltung samt Pflege und Reinigung – und vor allem um die Sozialisierung der Welpen. Der STS empfiehlt dafür ab der vierten Lebenswoche ein sicheres Aussengehege, damit die Jungtiere «in
einem geschützten Rahmen verschiedene Menschen, Tiere und Umweltsituationen kennenlernen – nur so können die Hunde später entspannt mit den vielen Umweltreizen umgehen». Nach und nach sollte man den Erkundungsradius ausdehnen, immer in Begleitung einer Bezugsperson. Dies stärkt die Bindung zwischen Zwei- und Vierbeinern. Vor Trainingsansätzen, die den Welpen in möglichst kurzer Zeit mit möglichst vielen Situationen konfrontieren, warnt die Biologin Lucia Oeschger von der STS-Fachstelle Heimtiere: «Ein Tag Einkaufszentrum, ein Tag Zug und Tram, an einem anderen Tag Bauernhoftiere – da muss man schon schauen, dass die Welpen nicht überfordert werden. Die Welpen müssen das Erlebte auch verarbeiten können, und dafür braucht es genügend lange Ruhephasen.»
Woran erkennt man also eine seriöse Zucht?
«Zucht» ist kein geschützter Begriff, was die Sache erschwert. «Alle können sich Züchterin oder Züchter nennen, egal ob wild drauflos verpaart wird oder ob sorgfältige Überlegungen dahinterstehen mit der Liebe zum Tier im Mittelpunkt», erklärt Oeschger. Um gesunde und gut sozialisierte Jungtiere zu erhalten, braucht man neben einer guten Portion Einfühlungsvermögen daher vor allem viel Wissen rund um Verpaarung, Trächtigkeit, Geburt und Aufzucht. Kurzum: Zucht ist keine Spontanaktion, sondern das Resultat reiflicher Überlegung!
Mehr dazu in der Verordnung «Tierschutz beim Züchten» des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV
Vor der Zucht
Wer tierischen Nachwuchs plant, sollte sich zuerst informieren – sowohl was die praktische Handhabung angeht als auch über die rechtliche Seite. Denn bereits bei der Partnerwahl gibt es umfassende rechtliche Vorgaben zum Schutz der Tiere, die zwingend einzuhalten sind (Stichwort Extremzucht). Also lieber zur professionellen Züchterin oder zum professionellen Züchter? Das Internet quillt schliesslich über von Websites, die die vermeintlich beste Zuchtstätte mit den augenscheinlich hübschesten und gesündesten Welpen bewerben. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Denn häufig stammen die Welpen aus dem Ausland, Herkunft unbekannt, haben (Erb-)Krankheiten und sind kaum sozialisiert. Lucia Oeschger spricht von «massenhaft skrupellosen Quellen», bei denen nicht das Tierwohl, sondern der finanzielle Nutzen im Vordergrund stehe.
Tags: Hundehaltung, Tierreport 2/21