Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Es gibt noch viel Luft nach oben

  • Freiflughalle BEA: Die Kanarienvögel fühlten sich in ihrer artgerecht gestalteten Umgebung  bestens aufgehoben und «vogelfrei». © STS

    Freiflughalle BEA: Die Kanarienvögel fühlten sich in ihrer artgerecht gestalteten Umgebung bestens aufgehoben und «vogelfrei». © STS

  • Streichelzoo an der OLMA: Der grosszügig angelegte Streichelzoo bot Besuchern wie Tieren eine abwechslungsreiche Gestaltung. In den Ruhe- und Rückzugszonen sollten Kinder jedoch nichts zu suchen haben. © STS

    Streichelzoo an der OLMA: Der grosszügig angelegte Streichelzoo bot Besuchern wie Tieren eine abwechslungsreiche Gestaltung. In den Ruhe- und Rückzugszonen sollten Kinder jedoch nichts zu suchen haben. © STS

  • OLMA: Eine vorbildliche und moderne Milchkuhhaltung im Laufstall mit Melkroboter. Die Kühe hatten Beschäftigung, konnten fressen, sich bewegen, ausruhen und Milch geben, wann sie mochten. © STS

    OLMA: Eine vorbildliche und moderne Milchkuhhaltung im Laufstall mit Melkroboter. Die Kühe hatten Beschäftigung, konnten fressen, sich bewegen, ausruhen und Milch geben, wann sie mochten. © STS

Freiflughalle BEA: Die Kanarienvögel fühlten sich in ihrer artgerecht gestalteten Umgebung bestens aufgehoben und «vogelfrei». ©STS

Auch 2016 besuchten Fachleute des STS Tierausstellungen in der Schweiz. Das Fazit: Für einige Tiere hat sich die Situation deutlich gebessert, aber noch immer müssen viele der ausgestellten Tiere leiden.

Dr. med. vet. MLaw Julika Fitzi, STS-Fachstelle Tierversuche, Gentechnologie und Hunde

Unsere regelmässigen Berichte über Tier­ausstellungen sind offenbar bei einigen Ausstellern mittlerweile angekommen. So wurde an der OLMA beispielsweise eine moderne, tierfreundliche Milchviehhaltung im Freilaufstall mit Melk­roboter gezeigt, und an der LUGA und der BEA konnten sich Besucher Eindrücke von vorbildlichen Vogel- und Meerschweinchenhaltungen verschaffen. Ebenso positiv sind die häufiger abwechslungsreich strukturierten Schaf-, Ziegen- und Freilaufgehege an den Pu­bli­kumsmessen, bei denen die Tiere teilweise mehr Platz, Rückzugs- und Beschäftigungsmöglichkeiten erhielten. Auch die weitestgehend artgerechte Freilaufhaltung der Schweine an der BEA überzeugte uns.

Keine Ruhe, keine Beschäftigung, zu wenig Platz

Ein konträres, trauriges Bild bot auf der gleichen Ausstellung jedoch die Haltung eines Mutterschweins mit seinen Ferkeln: auf minimalstem Platz einge­pfercht und zur Unbeweglichkeit gezwungen, ausserdem von nahezu allen Seiten den vielen Besuchern und Berührungen ausgeliefert. So musste das Mutterschwein tagelang ausharren, wie schon in den Jahren 2015 und 2014. Von einer Pu­blikumsmesse mit knapp 300 000 Besuchern darf erwartet werden, dass sie ihrem Vorbildcharakter gerecht wird und eine artgerechte Tierhaltung zeigt.
Auch die Streichelzoos müssen sich wie schon in der Vergangenheit grösstenteils Kritik gefallen lassen. Regelmässig fehlen hier verhaltensgerechte Strukturen sowie Beschäftigungs- und Rückzugsmöglichkeiten, was die Tiere überfordert und stresst. Zu den Minimalanforderungen gehören daher unzugängliche Rückzugs- und Ruhezonen sowie geschulte Aufsichtspersonen, die das Einhalten der Ruhezeiten garantieren und die Besucherströme lenken. Zudem müssen individuelle, auf die Bedürfnisse der jeweils ausgestellten Tierarten ausgerichtete Situationen geschaffen werden.


Generell geben immer wieder, so auch 2016, die gleichen Dinge Anlass für Kritik an den Besuchermessen: am häufigsten die fehlenden Rückzugs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere und die zu knappen, teils gegen die Tierschutzverordnung verstossenden Platzverhältnisse. An mehrtägigen Veranstaltungen werden Tiere wie Stiere, Kühe, Kälber und Jungrinder dauernd in Anbindung gehalten, sind Pferde und Mutterstuten mit Fohlen bei Fuss in Boxen eingesperrt. Wegen der enormen Belastung der Tiere ebenfalls inakzeptabel sind der Transport und die Aufstallung hochträchtiger Kühe, wie an der OLMA geschehen, nur um dem Publikum Geburten vorführen zu können.
Unschönes gab es auch an der Reptilienbörse in Etoy zu sehen. Zahlreiche Tiere mussten in kahlen und zu kleinen Plastikbehältern ausharren. Vielfach wurde gegen die Börsenordnung verstossen: etwa durch Ausstellung und Verkauf von Wildfängen. Mäuse und Ratten konnten als lebende Futtertiere auch gleich mit eingekauft werden. Nebst dem, dass diese Tiere durch die unmittelbare Nähe zu ihren Feinden unter enormem Stress standen, entsprach auch ihre Präsentation an der Ausstellung grösstenteils nicht den Haltungsvorschriften der Tierschutzverordnung.

Wichtige Vorbildfunktion

An den Hunde- und Katzenausstellungen zeigt sich jedes Jahr das gleiche tierschutzwidrige Bild: in ihrem natürlichen Habitus stark eingeschränkte und erniedrigte Tiere – übermässiges Zurechtmachen, Hochzerren und Würgen an Leinen und Halsbändern, unzureichende Käfig- und Boxenhaltung. Hier scheinen die Verantwortlichen gegenüber Tierschutzverbesserungen besonders resistent zu sein.
Grossen Anlass für Kritik boten 2016 die vier besuchten Kuhausstellungen. Dabei versuchten Züchter und Aussteller, sich gegenseitig im Wettbewerb zu übervorteilen, auf Kosten ihrer gutmütigen Tiere. Das Motto: Je grösser und voller das Euter, desto sicherer der Sieg. Bei kaum einer Kuh wurden die gewohnten Zwischenmelkintervalle von 12 Stunden eingehalten. Fast alle Kühe hatten verklebte Zitzen und angeschwollene, zum Bersten gefüllte Euter. Die meisten konnten deswegen kaum noch normal laufen. Zudem verstossen das übermässige Zurechtmachen mit Lack, Gel, Spray und Puder inklusive Abrasur der Tasthaare an Maul und Augenbrauen in vielerlei Hinsicht gegen die gesetzlichen Bestimmungen und Reglemente.


An einigen Ausstellungen ist uns auch ein grober, rücksichtsloser Umgang mit den ausgestellten respektive vorgeführten Tieren aufgefallen. Wir appellieren daher an die Aussteller, darauf zu achten, dass alle Tiere korrekt und mit der nötigen Geduld vorgestellt werden. Auch, um dem Publikum mit gutem Beispiel voranzugehen. Auf tierquälerische Auswüchse muss zwingend verzichtet werden – nicht nur aus gesetzlicher Sicht, sondern auch wegen der Würde und Verantwortung gegenüber dem anvertrauten Tier.

Streichelzoo an der OLMA: Der grosszügig angelegte Streichelzoo bot Besuchern wie Tieren eine abwechslungsreiche Gestaltung. In den Ruhe- und Rückzugszonen sollten Kinder jedoch nichts zu suchen haben. © STS

OLMA: Eine vorbildliche und moderne Milchkuhhaltung im Laufstall mit Melkroboter. Die Kühe hatten Beschäftigung, konnten fressen, sich bewegen, ausruhen und Milch geben, wann sie mochten. © STS

 

Insgesamt wurden von den Fachleuten des STS im Jahr 2016 siebzehn Tierausstellungen in der Schweiz besucht: die fünf grossen Publikumsmessen OFFA, LUGA, BEA, Comptoir Suisse und OLMA, vier Kuhausstellungen, je zwei Hunde- und Katzenausstellungen, eine Reptilienbörse, eine Sing- und Ziervogelausstellung, eine Kleintier- sowie eine Brieftaubenausstellung.

Tags: Tierreport 2/17

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