Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Für Menschen, die naturnah leben

  • Im Auslauf: Bruno und Regula Betschart «geniessen» ihre Lamas. @ Fam. Betschart

    Im Auslauf: Bruno und Regula Betschart «geniessen» ihre Lamas. @ Fam. Betschart

  • Nicht kälteempfindlich: Lamas knabbern auch gerne an Sträuchern. © Fam. Betschart

    Nicht kälteempfindlich: Lamas knabbern auch gerne an Sträuchern. © Fam. Betschart

Im Auslauf: Bruno und Regula Betschart «geniessen» ihre Lamas. © Fam. Betschart

Lamas haben eine besondere Ausstrahlung und suchen die Nähe zum Menschen. Sie sind genügsam und robust, aber benötigen viel Bewegung auf möglichst trockenen und sonnigen Weiden.

Dr. Ing. Agr. Michael Götz, Agrarjournalist

Den exotisch anmutenden Tieren scheint es hier in der Bergwelt zu gefallen, denn Klima und Umgebung sind ähnlich wie in ihrer Heimat, den Anden Südamerikas. Landwirt Bruno Betschart liess sich schon vor über fünfundzwanzig Jahren von Lamas begeistern. Die Freude an den Tieren hat sich auch auf seine Frau Regula übertragen. Heute halten sie anstatt Rinder fünfzig bis sechzig Lamas auf ihrem fünfzehn Hektar grossen Lamahof in Sattel SZ.

Nicht kälteempfindlich: Lamas knabbern auch gerne an Sträuchern. (© Fam. Betschart)

Weiden statt Trekking

Betscharts züchten das Classic Lama. Im Vergleich zum Wooly Lama hat es weniger Wolle, ist aber etwas grösser und robuster. Es wird häufig für Trekkingtouren verwendet, wobei der Mensch das Lama führt und dieses das Gepäck trägt. Die vielen Zäune in der Umgebung machen das Trekking schwierig, erklärt Regula Betschart. Deshalb verzichten sie darauf und bieten ihren Tieren viel Bewegung auf den grossen Weiden und im Laufstall mit Auslauf an. Ein Standbein ihres Hofs ist der Agrotourismus und die Schule auf dem Bauernhof (schub.ch), um Kindern und Erwachsenen die Natur und insbesondere die Lamas näherzubringen. Das Lama wirkt stolz und anmutig zugleich und weckt Interesse bei den Besucherinnen und Besuchern. Auch das Lama selbst ist neugierig und geht unbefangen auf die Menschen zu. Seine Gutmütigkeit und Gelassenheit wirken auf Menschen, selbst auf Kinder, beruhigend, beobachtet Regula Betschart.

Kommen nie nachts zur Welt

«Lamas spucken», ist in vielen Köpfen verankert. Sie können das tatsächlich, erklärt die Lamahalterin, tun dies aber nur gegenüber Artgenossen oder Angreifern, um sich zu verteidigen oder wenn sie Angst haben. Auf dem Lamahof kommen jedes Jahr etwa zehn Fohlen zur Welt. Die Stuten haben eine Tragzeit von zwölfeinhalb Monaten und fohlen alle anderthalb bis zwei Jahre. «Sie kommen nie nachts zur Welt», hält die Landwirtin als eine Eigenheit der Lamas fest. Das sei ihnen angeboren, da die Neugeborenen im südamerikanischen Hochland bei nächtlichen Minustemperaturen erfrören. Wie in der Natur bleiben auch auf dem ­Lamahof die Jungtiere bei der Mutter in der Herde. Im Alter von etwa einem Jahr trennen die Landwirte die Junghengste von der Herde, da sie sonst zu viel Unruhe in die Herde brächten und es zu Inzucht käme. Um den natür­lichen Kreislauf zu schliessen, schlachten sie auch Tiere, wobei sie auf gesunde und robuste Tiere selektionieren. Die Zuchtstuten werden etwa zwanzig Jahre alt.

Brauchen viel Sonne

Lamas sind in der Haltung und Fütterung eher anspruchslos und genügsam, aber ein paar Dinge sind für Gesundheit und Wohlbefinden wichtig. Sie benötigen viel Bewegung, einen trockenen und zugfreien Unterstand oder einen Stall mit grossem Auslauf. Im Stall müssen genügend Platz und Strukturen vorhanden sein, damit die Tiere einander ausweichen können. «Schon das Lamababy geht aufs WC», erzählt die Lamahalterin schmunzelnd. Lamas haben feste Kotplätze im Stall und auf der Weide. Das macht das tägliche Ausmisten des Stalls leichter. Wer neu Lamas halten möchte, tue gut daran, sich ein «Säckli» Mist vom Verkäufer mitgeben zu lassen, um damit den neuen Kotplatz zu markieren. Die Weiden dürfen ruhig steil und steinig sein; auch die Kälte macht den Tieren nichts aus, aber sie brauchen viel Sonne wie im Hochland der Anden, betont Betschart. Ein nasser, schattiger Ort eigne sich schlecht als Weide.

Eignen sich für naturnahe Haltung

Lamas benötigen kein Kraftfutter. Gras und Heu genügen ihnen vollauf, aber sie brauchen Mineralstoffe in Form von Lecksteinen. Da Lamas Weidetiere sind und auch gern Sträucher fressen, eignen sie sich gut für die Landschaftspflege im Berggebiet. Sie fressen das Gras ab, ohne daran zu reissen und gehen als sogenannte Schwielensohler auf Lederballen. Damit schonen sie die Grasnarbe, vermindern Trittschäden und Bodenerosion und fördern damit nicht zuletzt auch die Artenvielfalt der Pflanzen.

Während Lamas die Sommerhitze besser ertragen als andere, einheimische Weidetierarten, seien sie im Sommer empfindlich gegenüber Stechmücken und Bremsen. Sie brauchen deswegen auf der Weide einen luftigen, schattigen Ort oder müssen sich in einen Unterstand oder Stall zurückziehen können. Zuerst galten Lamas in der Schweiz als exotische Wildtiere, heute sind sie als landwirtschaftliche Nutztiere anerkannt. Schliesslich wurden sie in Südamerika über Jahrtausende hinweg als Last- und Arbeitstiere domestiziert. Sie eignen sich als Hobby- und Therapietiere, für eine extensive Landwirtschaft und für Agrotourismus. Die Tierschutzverordnung verlangt als Voraussetzung für die Lamahaltung eine entsprechende Ausbildung oder einen Sachkundenachweis. «Lamas sind für Menschen, die naturnah leben», hält ­Regula Betschart fest. Wer Lamas halten möchte, sollte Zeit für die Tiere haben und sich gern mit ihnen abgeben.

 

Abstammung und Domestikation

Lamas und die eher etwas kleineren sowie stark «bewollten» Alpakas zählen von ihrer Abstammung her zu den Südamerikanischen Kleinkamelen, auch Neuweltkameliden genannt. Sowohl Lamas als auch Alpakas wurden aus den beiden Wildformen Guanako und Vikunja gezüchtet. www.lamahof.ch
Neuweltkameliden Schweiz: www.nwks.ch

Tags: Tierreport 1/21, Lamahaltung

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