Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
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Die unsichtbare Gefahr

Hinter dem Merle-Gen steckt aber mehr als reine Farbenvielfalt. In ihm lauert eine unsichtbare Gefahr und oftmals viel Tierleid.

Hinter dem Merle-Gen steckt aber mehr als reine Farbenvielfalt. In ihm lauert eine unsichtbare Gefahr und oftmals viel Tierleid.

Hinter dem Merle-Gen steckt aber mehr als reine Farbenvielfalt. In ihm lauert eine unsichtbare Gefahr und oftmals viel Tierleid. (© Adobe Stock)

Hinter dem Merle-Gen steckt aber mehr als reine Farbenvielfalt. In ihm lauert eine unsichtbare Gefahr und oftmals viel Tierleid. ©ADOBE STOCK

Sie sind meist bunt gescheckt, mal eher bläulich, mal rötlich und haben manchmal zwei verschiedene Augenfarben: die Merle-Hunde. Aufgrund dieser Attribute sind die Tiere sehr beliebt und werden bewusst gezüchtet. Hinter dem Merle-Gen steckt aber mehr als reine Farbenvielfalt. In ihm lauert eine unsichtbare Gefahr und oftmals viel Tierleid.

Daniela Poschmann

«Die Nachfrage nach Hunden in Merle-Färbung ist sehr hoch. Sogar Rassen wie Kurzhaardackel, Kleinpudel, Chihuahuas oder Französische Bulldoggen sieht man neuerdings mit Merle-Färbungen, was uns sehr beunruhigt. Es scheint, dass unseriöse Züchterinnen und Züchter nichts unversucht lassen, um solche Würfe zu bekommen, da sie diese teuer verkaufen können», warnt Julika Fitzi-Rathgen vom Schweizer Tierschutz STS. Das Merle-Gen ist für einen Teil der Pigmentierung von Haaren und Haut verantwortlich und hellt den Körperfarbstoff Eumelanin auf. Dadurch erzeugt es eine spezielle Fellzeichnung, bei der schwarz als grau und braun als rot erscheint, bezeichnet als sogenannte «Blue Merle» und «Red Merle». Tigerdackel, Blue-Merle-Collies und getigerte Doggen sind typische Vertreter dieser Farbvariante. Teilweise sind ganze Körperpartien weiss. Die Augen können braun, blau oder gemischtfarbig sein, wobei es sowohl Hunde mit einem blauen und einem braunen Auge gibt als auch welche, die beide Farben in einem Auge vereinen. Solche Farbkombinationen faszinieren, haben aber ihre Tücken.

Blind, taub und unfruchtbar

Denn der Merle-Faktor ist nicht nur schön anzusehen, sondern medizinisch gesehen ein Enzymdefekt, der zu schweren Erkrankungen der Augen, des Gehörs und anderer Organe führen kann. Vor allem, wenn bei der Zucht zwei Merle-Träger miteinander verpaart werden. Diese sind dann überwiegend weiss, weshalb sie als «Weisstiger» bekannt sind. «Solche reinerbigen Merle-Hunde sind vielfach stark schwerhörig oder gar taub, haben ein eingeschränktes Sehvermögen oder sind gänzlich blind», warnt Fitzi-Rathgen. Genaue Zahlen gibt es hierzu nur wenige. Statistisch gesehen sollen aber zehn Prozent einseitig und fünfzehn Prozent auf beiden Ohren taub sein. Einigen Hunden fehlen gar die Augen. Ausserdem sterben viele noch vor der Geschlechtsreife, zeigen weniger Lebensfreude und entwickeln sich langsamer. Einige Rüden verlieren auch an Fruchtbarkeit. Ausserdem fehlt oft der Gleichgewichtssinn, sodass manche Australian Shepherds und Border Collies nicht schwimmen können.

Bei den sogenannten Mischerbigen, sprich wenn «nur» ein Zuchttier diesen Gendefekt in sich trägt, treten solche Fehler zwar ebenso auf, jedoch in abgeschwächter Form. Der STS rät daher generell von solchen Züchtungen ab, zumal sie aufgrund der oben genannten Probleme einiges an Fach­wissen erfordern. Ob dies allerdings stets vorhanden ist, ist in Bezug auf den derzeitigen Merle-Boom mehr als fraglich. Schlussendlich darf aus Sicht des STS mit Merle-­Hunden, die nicht vollständig genotypisiert sind, nicht gezüchtet werden. «Nur so kann verhindert werden, dass Hunde mit merlebedingten Sinnes- oder Entwicklungsstörungen geboren werden, die ein Leben lang mit diesen Beeinträchtigungen zu kämpfen haben oder überhaupt nicht lebensfähig sind», macht Fitzi-Rathgen deutlich.

Zu finden ist der Merle-Faktor bei Shelties, Collies, Border Collies, Bobtails, Beaucerons, Pyrenäenschäferhunden, Australian Shepherds, Dackeln, Deutschen Doggen, Cockerspaniels, Chihuahuas und neuerdings auch bei Französischen Bulldoggen. Obwohl in der Schweiz die Verpaarung homozygoter, also reinerbiger Merle-Hunde – Weisstiger oder Double-Merle – verboten ist, sind vor allem Chihuahuas sehr gefährdet, da viele online aus dem Ausland gekauft werden und die Anbieter von Genetik meist wenig Ahnung haben.

Sicherheit durch Gentest

Auch bei allen anderen Rassen muss man sich vorsehen, denn das Gemeine an der Sache ist, dass der Defekt nicht mit blossem Auge zu erkennen ist. ­Heikel wird es beispielsweise bei sablefarbenen ­Collies, also von Natur aus rötlichen Hunden oder bei Aussiedoodles, die gern mit helleren Farben vorkommen. Tragen sie das Gen in sich oder nicht?

Wer sich dennoch für solche gescheckten Hunde interessiert, sollte die Tiere rechtzeitig auf Herz und Nieren prüfen lassen. Mit etwas Glück liegen keine Krankheiten vor. Was allerdings nicht heisst, dass keines der Wurfgeschwister unter einer fragwürdigen Zucht leidet oder die Farbexperimente gewiefter Züchterinnen und Züchter gar nicht überlebt hat!

Ob ein Merle-Faktor vorliegt, findet man nur via Gentest heraus. Der STS empfiehlt, niemals einen Hund mit Merle-Scheckung ohne vollständige Genotypisierung der Elterntiere zu kaufen. Eine solche muss man sich von der Züchterin oder vom Züchter zeigen lassen. Gibt es keinen Gentest, heisst es: Finger weg! Nicht umsonst warnt die Tierschutzorganisation immer wieder vor skrupel­losen Welpenhändlerinnen und -händlern sowie Zuchtausrichtungen, die anstelle von vitalen Hunden das schnelle Geld im Fokus haben.

Vorsicht vor Spezialfarben

Auch abseits des Merle-Faktors stehen bestimmte Farbmuster für Erkrankungen. Hier einige Beispiele:

Zu einer silbergrauen Aufhellung des Haarkleids führt das «Grey-Collie-­Syndrom». Die hierfür verantwortliche Erbanlage bewirkt schwere Störungen der Blutbildung und des Immunsystems, was die Tiere anfällig macht gegenüber Infektionen.

Eine weitere potenziell gefährliche Farbvariante, der das Verdünnungs- oder Dilution-Gen zugrunde liegt, ist blau. Vertreter des «Blue-Dog-Syndroms» sind blaugrau und leiden unter Haarausfall, Hautentzündungen und einem verminderten Immunsystem. Gesundheitliche Probleme treten hauptsächlich bei Rassen wie Dobermann oder Pinscher auf. Man spricht daher auch vom «Blue-­Dobermann-Syndrom».

Spezielle Verhältnisse liegen bei Doggen vor. Bei dieser Rasse gibt es das Harlekin-Gen, das in Kombination mit dem Merle-Gen für die sogenannten Grautiger sorgt. Diese Hunde zeigen grauschwarze Flecken auf weisser Grundfarbe und weisen Beeinträchtigungen der Sinnesorgane auf. Reinerbige Harlekin-Tiere gibt es nicht, da sie in der frühen Embryonalphase sterben.

 

 

 

 

 

Tags: Hunde, Tierreport 3/21

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