Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Tristes Dasein für zahl­reiche Reitschulpferde

Tristes Dasein für zahl­reiche Reitschulpferde ©Fotolia

Tristes Dasein für zahl­reiche Reitschulpferde ©Fotolia

Tristes Dasein für zahl­reiche Reitschulpferde © Fotolia

Werden Reitschulen ihrer Vorbildfunktion in der Pferdehaltung gerecht? Der Schweizer Tierschutz STS besuchte 15 Reiterhöfe und stellte fest: Während Ordnung, Sauberkeit und der Umgang mit den Pferden mehrheitlich zufriedenstellend bis gut waren, muss bei mehr als zwei Dritteln aller Betriebe hinter die Qualität der Tierhaltung ein grosses Fragezeichen gesetzt werden.

Sandra Schaefler, Zoologin, STS-Fachstelle Heimtiere und Pferde

Reiten lernt man am besten in einer guten Reitschule. Eine gute Reitschule zeichnet sich nicht nur durch ein angenehmes Klima für Reiterinnen und Reiter aus, sondern vor allem auch durch tierfreundliche Bedingungen für die Reitschulpferde. Dass dies oftmals nicht der Fall ist, zeigen die Resultate einer neuen Recherche des Schweizer Tierschutz STS.

Bissspuren an der Stalltür

Von 15 schweizweit zufällig ausgewählten Reitbetrieben boten lediglich deren vier ihren Pferden artgemässe Haltungsbedingungen in Auslaufgruppenhaltung und mit fleissigem Weidegang. Dabei wären ein pferdegemässes Sozialleben und freie Bewegung, insbesondere auf Weiden, für die Ausgeglichenheit von Pferden extrem wichtig. Die verbreitete Einzelhaltung mit eingeschränktem Sozialkontakt und nur wenig freier Bewegungsmöglichkeit stellt jene Haltungsform dar, welche für den Reiter am schadensträchtigsten ist. Derart restriktiv gehaltene Pferde sind oft unausgeglichen, schreckhaft und unberechenbar, was gerade für Reitschüler ein erhöhtes Gefahrenpotenzial darstellt.
So gesehen ist es bedenklich, dass rund siebzig Prozent der besuchten Reitschulen ihre Pferde in beengten Einzelboxen halten, teilweise gar ohne angrenzenden Auslauf. Bei vielen der besuchten Reitschulen waren die sozialen Kontakte zwischen Pferden höchstens durch die Gitterstäbe in den Boxentrennwänden möglich. Wenn überhaupt Weide angeboten wurde, mussten viele Pferde allein auf einer kleinen Fläche grasen, und dies oft nur an wenigen Tagen, teilweise gar nur an einem Tag pro Woche. Dem Bedürfnis nach freier Bewegung und Sozialkontakten kann so nicht nachgekommen werden. In einigen Reitschulen wurden Bissspuren an den Stalltüren entdeckt, was klar auf Langeweile respektive Verhaltensstörungen hinweist.
Realität ist offenbar, dass heutzutage noch eine Mehrheit der angehenden Reiterinnen und Reiter ihr Hobby in einem Umfeld erlernt, das klar als nicht tierfreundlich bezeichnet werden muss.

Verantwortung wahrnehmen

Der Schweizer Tierschutz STS appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Reitschulbetriebe in der Schweiz. Reitschulen müssen bezüglich Pferdehaltung und Umgang mit den Tieren ihren Schülern Vorbild sein. Die physisch und psychisch oft höchst anstrengende Arbeit von Schulpferden ruft geradezu nach einem möglichst artgemässen, freien Leben ausserhalb der Schullektionen. Dies nicht zuletzt auch, um die Sicherheit der Reitschüler bestmöglich zu gewährleisten. Für Eltern von pferdebegeisterten Kindern ist es wichtig, bei der Wahl der Reitschule auf eine gute Pferdehaltung und einen sorgsamen Umgang mit den Tieren zu achten.

Wie erkenne ich eine gute Reitschule?

  1. Haltungssystem: In Reitschulen wird ein Pferd mehrheitlich zwei Stunden pro Tag eingesetzt. Die restliche Zeit verbringt das Tier in seiner Stallumgebung. Deswegen hat die Art des Haltungssystems einen besonders wichtigen Einfluss auf sein Wohlbefinden. Eine Gruppenauslaufhaltung mit permanentem Auslauf und regelmässigem Weidegang kommt den natürlichen Bedürfnissen der Pferde am nächsten.
  2. Soziale Kontakte: Als Optimalfall wird die Gruppenhaltung betrachtet. Wenn die Pferde einzeln eingestallt werden, ist aus Tierschutzsicht zumindest direkter Kontakt im Auslauf und auf der Weide notwendig.
  3. Hygiene: Im Stall sollte es hell, luftig und sauber sein. Genügend trockene und saubere Einstreu ist notwendig. Wasser sollte immer vorhanden sein. Optimal ist, wenn jedes Pferd sein eigenes, passendes Sattel- und Zaumzeug zur Verfügung hat. Pferdegerechte und gesunde Futtermittel sind Voraussetzung.
  4. Gesundheit: Stall, Auslauf und Weiden müssen periodisch auf mögliche Verletzungsgefahren (z. B. vorstehende Teile, Nägel, ­angenagte Bretter etc.) untersucht werden. Gesunde Pferde haben ein glänzendes Fell ohne kahle Stellen. Augen, keine verklebten Nüstern und kein Ausfluss sind ebenfalls Hinweise auf eine gute ­Gesundheit. Die Pferde sollten weder zu dick noch zu dünn sein. Die Hufe sind normalerweise regelmässig geformt und weisen keine Risse auf.
  5. Reitstunde: Zur Reitstunde gehören neben dem Reiten auch das Putzen, Satteln und Zäumen des Pferdes vor, sowie das Versorgen nach der Reitstunde. Zu Beginn sollten die Pferde 5 bis 10 Minuten im Schritt eingeritten werden. Während der Reitstunde ist die Gehrichtung immer wieder zu wechseln. Zum Schluss gibt es für Ross und Reiter eine Auslaufphase von 5 bis 10 Minuten.
  6. Umgang: Die Pferde sollten gelobt und nicht bestraft werden. Ein ­ruhiger, sorgsamer Umgang ist Voraussetzung jeder guten Pferde­haltung. Die Zügel sollten locker gehalten werden. Hilfszügel müssen richtig eingesetzt werden, um den Tieren nicht zu schaden. Ein Pferd darf weder angeschrien noch geschlagen werden. Sporen und ­Peitsche dienen nicht dazu, das Pferd zu bestrafen.

Tags: Tierreport 2/16

Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS