Respekt für Wildtiere
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Schon vor Corona drängten immer mehr Menschen in die schöne Schweizer Natur. Auch diesen Sommer ist zu erwarten, dass viele Schweizerinnen und Schweizer ihre Ferien mit entsprechenden Freizeitaktivitäten im Inland verbringen. Dass unsere Tummelplätze im Grünen auch Lebensraum für Wildtiere sind, geht dabei leicht vergessen.
Dr. sc. nat. Samuel Furrer, Zoologe, STS-Geschäftsführer Fachbereich
Wildtiere können durch die vielfältigen menschlichen Aktivitäten stark gestört werden. Sie werden aufgeschreckt oder von Ruhe-, Nahrungs- oder Brutplätzen vertrieben. Treten Energieverluste durch Stress oder Flucht gehäuft auf, kann sich die körperliche Verfassung eines Tiers drastisch verschlechtern. Das kann bis zum Tod durch Erschöpfung führen. Bei dauernder Beunruhigung ist längerfristig mit Lebensraumverlust, damit verbundener Reduktion des Fortpflanzungserfolgs und als Konsequenz mit Abnahme der Bestände bis hin zum lokalen Aussterben von Populationen zu rechnen. Das darf nicht sein. Nachfolgend finden sich zahlreiche Tipps, wie sich Naturfreunde bei ihren Outdooraktivitäten möglichst tierschonend verhalten können.
- Wildruhezonen und Wildtierschutzgebiete beachten: nicht betreten. Sie bieten Wildtieren Rückzugsräume.
- Im Wald auf Wegen und bezeichneten Routen bleiben: so können sich Wildtiere an den Menschen gewöhnen.
- Hunde an der Leine führen, insbesondere im Wald: Wildtiere flüchten vor frei laufenden Hunden.
Drohnenfliegen
Hunderttausende Drohnen sind bereits im Umlauf, Zehntausende werden pro Jahr gekauft. Und so werden Drohnen für alle, die in der Natur Ruhe suchen, immer mehr zum Ärgernis. Problematisch wird es dann, wenn Drohnen Lebensräume von Tieren überfliegen. Das Drohnenfliegen ist verboten in Wasser- und Zugvogelreservaten, in eidgenössischen Jagdbanngebieten sowie in Naturschutzgebieten und Wildruhezonen. Grundsätzlich sollen Wildtiere nicht angeflogen und schon gar nicht verfolgt werden. Der Flug ist sofort abzubrechen, sobald Tiere Reaktionen zeigen.
Gleitschirmfliegen
Von verschiedenen Tierarten ist bekannt, dass sie auf das Erscheinen von Hängegleitern sehr heftig reagieren können. Äsende Tiere unterbrechen die Nahrungsaufnahme, ruhende Tiere erheben sich. Eine weitere Annäherung des Hängegleiters löst häufig eine Flucht aus. Die gemessenen Fluchtdistanzen betragen zwischen hundert und sechshundert Metern. In der Regel flüchten die Tiere nach unten und suchen Wald, andere deckungsreiche Orte oder felsige Gebiete auf. Nach einer Flucht oder auch nach einem langsameren Wegziehen halten sich die Tiere während einiger Zeit im Wald auf. Oft kehren sie erst am Abend oder am nächsten Tag wieder auf die offenen Weidegebiete zurück. Die Website www.haengegleiten-wildtiere.ch bietet Informationen zu wissenschaftlichen Grundlagen, aber auch Umsetzungsbeispiele aus der Praxis. Auf www.flyland.ch stehen ausserdem die Schutzzonen zum Download auf GPS-Geräte bereit.
Mountainbiken
Die Entwicklung leistungsfähiger E-Bikes macht die Erschliessung von Bergwanderwegen und zunehmend auch Alpinwanderwegen für Zweiradfahrer massentauglich. Abseits von viel begangenen Wegen bewegen wir uns hier in demselben Raum, in den sich Tiere vor intensiver Nutzung zurückziehen. Halten Sie sich an ausgeschilderte Bike-Routen und respektieren Sie Fahrverbote und Wildruhezonen. Fahren Sie immer nur so schnell, dass sie notfalls noch kontrolliert bremsen können. Vermeiden Sie unnötigen Lärm und verfolgen Sie keinesfalls ein Wildtier mit dem Rad. Begegnen Sie einem Wildtier, so halten Sie an und warten ab, bis es sich zurückgezogen hat – oder Sie passieren es im Schritttempo und schieben das Velo. Vergessen Sie nicht, Weidezäune und Gatter wieder hinter sich zu schliessen.
Karte Wildruhezonen
Wandern
Sofern Wanderer Wildruhezonen und Weggebote respektieren, stellen sie für Wildtiere ein vergleichsweise geringes Problem dar. Es versteht sich von selbst, dass Wanderer ihre Abfälle in Containern entsorgen oder wieder mitnehmen – denn Plastiktüten, Konservendosen oder ungeeignete Lebensmittel können für Wildtiere gefährlich sein, wenn sie sich bei der Futtersuche darin verheddern, daran verletzen oder sich vergiften. Wildtiere sollten ausserdem nicht gefüttert oder gestreichelt werden – es besteht immer eine gewisse Verletzungs- und Krankheitsgefahr auch für den Menschen. Und an den Menschen gewöhnte Wildtiere werden meist früher oder später zu einem Problem und müssen von der Wildhut erlegt werden.
Durch die zunehmende Präsenz von Grossraubtieren haben sich die Herdenschutzaktivitäten im Gebirge intensiviert. Bergtouristen können sich vor einer Wanderung mithilfe einer interaktiven Karte über die Präsenz von Herdenschutzhunden auf Alpen informieren. Die Hunde sind normalerweise während der gesamten Alpsaison (frühestens Mitte Mai bis längstens Mitte Oktober) bei ihren Herden auf den Sömmerungsweiden. Im Sinne der Konfliktvermeidung ist es durchaus ratsam, seine Wanderung so anzulegen, dass keine Gebiete mit Herdenschutzhunden durchquert werden müssen. Eine entsprechende Planung sollte standardmässig erfolgen, genauso wie die Konsultation der Wetterprognosen.
Karte Herdenschutz
Stand-up-Paddling
Auch diese Freizeitbetätigung hat in den letzten Jahren einen Boom erlebt. Die Sportart kann ganzjährig und insbesondere auch in Flachwasserzonen und Uferbereichen ausgeübt werden. So gelangen Menschen in bisher wenig gestörte Gebiete. Auch hier gilt primär die Devise: Abstand zu den Tieren halten, um sie nicht zu erschrecken. Besonders ausgedehnte Schilfgürtel, Kiesinseln und Mündungsbereiche von Flüssen sind wichtige Brut- und Rückzugsgebiete für störungsanfällige Vögel und andere Tiere. Solche Gebiete sind weiträumig zu umfahren. Zum Ein- und Auswassern sollen öffentliche Anlagen genutzt werden, auf nächtliche Exkursionen ist zu verzichten, da Wasservögel in der Dämmerung und bei Dunkelheit besonders empfindlich auf Störungen reagieren. Naturschutzgebiete, Wasser- und Zugvogelreservate sowie Bestände von Wasserpflanzen wie Schilf, Binsen und Seerosen dürfen nicht befahren werden.
Merkblatt der Schweizerischen Vogelwarte Sempach
Weitere Ratschläge finden sich im STS-Merkblatt «Tierschutz bei Outdoor-Aktivitäten»