Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
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Profitsucht lässt Kühe und Kälber leiden

Milchkühe werden weltweit gnadenlos ausgebeutet. (@colourbox)

Milchkühe werden weltweit gnadenlos ausgebeutet. (@colourbox)

Milchkühe werden weltweit gnadenlos ausgebeutet. (@colourbox)Milchkühe werden weltweit gnadenlos ausgebeutet, unerwünschter männlicher Nachwuchs wird in mehreren Ländern kurzerhand umgebracht. Der STS hat die Lage analysiert und ist dabei zu erschreckenden Ergebnissen gelangt.

Dr. sc. nat. Hansuli Huber, STS-Geschäftsführer Fachbereich, Beratungsstelle für artgerechte Nutztierhaltung

Die weltweit betriebene intensive Milchproduktion nähert sich nicht nur in Nordamerika, Ozeanien und Europa, sondern auch in China und Indien mehr und mehr einer industriellen Erzeugung an mit Hunderten und Tausenden von Kühen je Produktionsstätte. Die boomende Milchproduktion führt zu negativen Entwicklungen auf dem Buckel der Tiere: Mit einem immensen Einsatz an Kraftfutter werden die Milchkühe auf Höchstleistung getrimmt, wobei die Nutzungsdauer gleichzeitig immer kürzer wird. Man muss eigentlich von «Wegwerfkühen» sprechen. Dazu folgt ein Trend zur permanenten Stallhaltung (Beton-kuhhaltung) und dem routinemässigen Enthornen. Männliche Babykälber werden oft kaum nach der Geburt getötet, weil sie unrentabel sind – so etwa in Neuseeland, aber auch in gewissen Gegenden Europas. Dies sind alles bedenkliche Erscheinungen, die zunehmend auch auf die Schweiz überschwappen.

Verfehlte Agrarpolitik

Mit einem immensen Einsatz an Kraftfutter werden die Milchkühe auf Höchstleistung getrimmt.

Eine erhebliche Schuld an der Zerstörung einer einst stolzen bäuerlichen Schweizer Kuhhaltung und der heute eingeleiteten Industrialisierung trifft die Agrarpolitik der vergangenen Jahre mit der Aufhebung der Milchkontingentierung im Jahr 2009. Dazu kamen die Grenzöffnung für Billigstimporte, die immer stärkere Bevorzugung von Grossbetrieben mit Steuermillionen sowie die gleichzeitige Verdrängung bäuerlich geprägter Betriebe.

Demgegenüber wird die in der Verfassung und im Landwirtschaftsgesetz vorgeschriebene Tierwohlförderung für besonders tierfreundliche Ställe (BTS) und den regelmässigen Auslauf ins Freie (RAUS) bis heute vom Bundesrat nur stiefmütterlich umgesetzt. Nur gerade zehn Prozent der Direktzahlungen werden dafür investiert.

Beispiele von Tierschutzproblemen

Die negativen Auswirkungen dieser verfehlten Landwirtschaftspolitik lassen sich an zahlreichen Beispielen darlegen:

Kühe

  • Zwar liegt die Beteiligung bei RAUS bei hohen 80 Prozent – aber grosse Betriebe mit 80, 100 Tieren verzichten zunehmend aufs Weiden: Die Betonkuhhaltung nimmt in der Schweiz deshalb rasch zu.
  • 60 Prozent der Kühe befinden sich in Anbindehaltung, ein Grossteil davon mit Kuhtrainer.
  • Einseitige Hochleistungszucht mit Kraftfutterdiäten (33 bis 50 Prozent der Milch entstehen durch Importkraftfutter). Eine durchschnittliche Schweizer Kuh hat nur mehr knapp drei Laktationen und liefert tiefe 27 000 Liter Milch in ihrem kurzen Leben. Kuhfleisch von Zweinutzungsrassen muss importiert werden, weil einseitige Milchrassen anteilmässig kaum mehr Fleisch liefern. Das Gangwerk und die artgemässe Bewegung der Kühe wird durch Riesen-euter zunehmend eingeschränkt.

Kälber

  • Über 60 Prozent haben keinen Auslauf. Weidehaltung ist bei Kälbern gar inexistent!
  • Die mutterlose Aufzucht führt zu Verhaltensstörungen wie gegenseitigem Besaugen. Deshalb werden Aufzuchtkälber in artwidriger Einzelhaltung gehalten.
  • Viele Milchviehbetriebe mit Hochleistungskühen betrachten männliche Kälber bloss als Kostenfaktor: raschmöglichst weg damit. Keine eigene Mast/Aufzucht, schlechte Pflege (mangelnde Kolostrumversorgung) oder gar Vernachlässigung (Krankheit) bis hin zur Tötung nach der Geburt und anschlies-sender Entsorgung sind die Folgen. 2014 wurden über 8000 Tiere im Alter von unter 40 Tagen getötet.
  • Problematischer Tränkerhandel: Zu frühe Abgabe von Milchviehbetrieb (Immunloch) und zu lange und völlig unnötige Transporte (Märkte, Umladen, Zwischenlagern) schwächen Kälber zusätzlich. Deshalb findet hier auch der höchste Antibiotikaeinsatz aller Tierkategorien in der Schweiz (30- Antibiotikatage pro Mast) statt.
Das fordert der STS

Richtige TierhaltungLangfristig müssen nach Meinung des STS Tierzucht und Agrarpolitik in der Schweiz ein Gegenmodell zur weltweit industriell betriebenen Billigstmilchproduktion mit Riesenherden von einseitigen Milchhochleistungskühen in ganzjähriger Stallhaltung verwirklichen, statt dieser Entwicklung im Ausland immer mehr zu folgen.

Ziel dieses Gegenmodells sollte eine Milchviehhaltung sein, die in überschaubaren Einheiten und Herdengrössen (keine Massenkuhhaltung), mit täglichem Weidegang (keine Betonkuhhaltung) und regelmässigem Auslauf ausserhalb der Vegetationsperiode sowie mit möglichst geringem Kraftfuttereinsatz bei mittleren Leistungen naturnah und tierfreundlich Milch erzeugt. Als Zuchtziele sollten die Nutzungsdauer und Zweinutzung (Milch, Fleisch) verstärkt verfolgt werden.

Das Töten neugeborener «unerwünschter» Kälber wirft erhebliche ethische und tierschützer-ische Fragen auf und wird vom STS grundsätzlich abgelehnt.

Der Kälberhandel ist effizienter zu gestalten, Kälbermärkte gehören abgeschafft. Stattdessen sollen Kälbermäster ihre Tiere direkt und aus der Region beziehen.

Die reine Stallhaltung ist nicht rindergemäss. Deshalb ist eine flächendeckende Beteiligung beim RAUS-Programm für Kälber, Mastvieh und Kühe anzustreben. Zusätzlich zu fördern sind Weidehaltungen, auch für Mastvieh und Kälber. Der Bundesrat ist aufgerufen, solche Haltungsformen mit wirtschaftlich lohnenden Beiträgen zu unterstützen, wie es die Bundesverfassung fordert. Im Weiteren sollen grosszügigere Ausläufe und Stallflächen mit Subventionen geschaffen werden, um so die Haltung von behornten Kühen wieder zu ermöglichen.

Das bisherige Kuhtrainerverbot ist beizubehalten.

Die Zuchtziele in der Milchviehzucht müssen die Tiergesundheit und die Langlebigkeit samt langer Nutzungsdauer und hoher Milchlebensleistung ins Zentrum stellen. Die original Schweizer Braunvieh- und Fleckviehrassen sollen als ideale Zweinutzungsrinder gefördert werden.

Tags: Tierreport 3/15

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