Viele Verbesserungen, aber weiterhin Handlungsbedarf
Kein Spielraum: Am Buremärit Münsingen wurde eine Ziege an der Besucherseite angebunden. Sie konnte sich dadurch nicht zurückziehen – auch nicht vor einem aufdringlichen jungen Bock. (Fotos: STS)
Der Schweizer Tierschutz STS hat letztes Jahr zehn nationale und internationale Tierausstellungen in der Schweiz besucht. Die Bilanz fällt unterschiedlich aus: Bei der Haltung und im Umgang mit Kleintieren sind Verbesserungen erkennbar. Der Umgang mit Nutztieren hingegen lässt nach wie vor stark zu wünschen übrig. Insbesondere bei tierartspezifischen Ausstellungen und Tiermärkten besteht erheblicher Verbesserungsbedarf.
Dr. med. vet. MLaw Julika Fitzi-Rathgen, Projektleitung Tierausstellungen
Häufige Kritikpunkte aus Tierschutzsicht sind die Überforderung der Tiere durch ungewohnte und beengte Verhältnisse, fremde Artgenossen, Lärm und Berührungen der Besuchenden. Das galt besonders für Streichelzoos, wo oft Rückzugsmöglichkeiten fehlten. Vor allem der Streichelzoo an der Luga in Luzern zeigte eine zu hohe Tierdichte, zu viele verschiedene Tierarten mit unterschiedlichen Haltungsansprüchen auf zu wenig Raum mit zu vielen Besuchenden. Besorgniserregend und enttäuschend war insbesondere auf den Bauernmärkten (Foire de Chandon, Buremärit Münsingen) der oft grobe Umgang mit den Tieren, vor allem mit Nutztieren. Hühner wurden an den Beinen und kopfüber aus dem Käfig gezerrt und in Kisten gestopft, nervöse Pferde und Esel waren eng angebunden stundenlang den Menschenmassen ausgesetzt und kleine Wiederkäuer wie Ziegen und Schafe wurden in Kleinstabzäunungen eingesperrt.
An der Reptilien- und Wirbellosenbörse Swiss Wild Life in Dompierre FR waren viele Reptilien für die Besuchenden frei zugänglich, wurden hochgenommen und von allen Seiten her betrachtet. Gekaufte Tiere wurden noch lange und in wenig tierfreundlicher Manier herumgetragen. Die Ausstellenden informierten teils rudimentär über die spezifischen Arten und deren anspruchsvolle Haltungsanforderungen.
Auch der Marché-Concours National de chevaux in Saignelégier (besucht am 12. und 13. August 2023) gab Anlass zu Kritik. Viele Pferde wurden in Anbindehaltung oder viel zu kleinen Boxen gezeigt, dies sogar während zweier Tage und über Nacht. Die meisten Pferde konnten sich weder zurückziehen noch frei bewegen oder den vielen Besuchenden und teils sehr unfreundlichen Artgenossen ausweichen, was in einigen Fällen zu grossem Aggressionsverhalten der Pferde führte.
Gute Haltungsbeispiele
Es gibt aber auch positive Beispiele: So wurden zahlreiche Verbesserungen hinsichtlich der Rückzugsmöglichkeiten umgesetzt, dies primär bei den Kleintieren. Auch Schweine, Ziegen, Schafe, Esel, Pferde und andere Tiere wurden vielfach in tierfreundlichen, sozialaktiven Gruppenhaltungen gezeigt. So wirkten die Tiere weniger gestresst und zufriedener. Zudem respektierten die meisten Besuchenden Abgrenzungen und Pufferzonen. Die OFFA Pferdemesse in St. Gallen (besucht am 23. April 2023) zeigte eine vorbildliche Pferdehaltung mit viel Sichtschutz und Rückzugsmöglichkeit. Zudem wurden tierfreundliche, nicht auf Leistung bezogene Pferdefussballspiele und Reitvorführungen gezeigt. Einzig die Eselhaltung sollte an der OFFA verbessert werden. Es mangelte den Eseln an Beschäftigung sowie an Sichtschutz zu den Besuchenden.
Katzen und Hunde
Bezüglich Katzen- und Hundeausstellungen muss leider immer noch eine gewisse Kritikresistenz mancher Extremzüchterinnen und -züchter beanstandet werden. Zudem wurde bei vielen Hunde- und Katzenausstellungen mit Prämierungen ein grober Umgang und ein übermässiges Zurechtmachen beobachtet. Positiv zu vermerken ist hingegen, dass bei Katzenausstellungen vermehrt auf das Ausstellen von Extremzuchtrassen verzichtet wurde, wie sich zum Beispiel an der Internationalen Katzenausstellung in Delémont zeigte.
An der World Dog Show in Genf – mit rund 21 500 Hunden eine der grössten Hundeausstellungen weltweit – wurden leider immer noch viele Hunde mit Extremzuchtmerkmalen ausgestellt. Zudem musste häufig ein grober Umgang mit den Tieren beanstandet werden. Viele Hunde wurden insbesondere bei der Präsentation im Ring durch Halsband oder Leine gewürgt. Zum Teil waren dabei in der Anwendung verbotene Würgeleinen ohne Stopps im Einsatz. Es fanden sich auch kaum Plakate auf dem Ausstellungsgelände, welche die Teilnehmenden darauf aufmerksam machen sollten, dass Würgehalsbänder in der Schweiz in der Anwendung verboten sind. Zudem gab es trotz einiger Verbesserungen (teils grosszügige Gehege, teils ruhiger und guter Umgang mit dem eigenen Hund) weiterhin belastende Situationen für die Hunde; unter anderem lange Wartezeiten in engen Behältnissen ohne oder mit sehr eingeschränkten Rückzugs- und Ruhemöglichkeiten, manchmal gar ohne Wasserversorgung.
Unsachgemässer Umgang an der Reptilienbörse: Das Bewegen der Behälter zwecks Begutachtung der Tiere ist für diese belastend und sollte vermieden werden.
Eringerkühe am Marché Concours
Pferde in Anbindehaltung am Marché Concours: Dadurch war das Einhalten des Individualabstands bei den Pferden nicht möglich.
Trauriger Anblick: Gesehen an der World Dog Show in Genf
Tags: Tierreport 3/24, Tierausstellungen