Am Olivenöl klebt Vogelblut
© Adobe StockDie schlechte Nachricht für die Tierwelt: Bei der Nachternte von Oliven in Südeuropa sterben Millionen Zugvögel. Die gute Nachricht für Konsumentinnen und Konsumenten: Von Coop und Migros verkaufte Olivenöle sind von diesen grausamen Praktiken nicht betroffen.
Simon Hubacher
Um teure Erntehelfer einzusparen, werden in Italien, Spanien, Portugal und Frankreich immer mehr Erntemaschinen eingesetzt. Im traditionellen Anbau schütteln Menschen die Oliven tagsüber von den Bäumen. Im superintensiven Anbau stehen die Bäume in Reih und Glied, auf Optimierung getrimmt. Nachts fahren dann die mit grellen Scheinwerfern ausgestatteten Erntemaschinen auf, und mit grossen beweglichen Rohren saugen sie die Oliven ab. Die niedrige Temperatur in der Nacht soll das Aroma des Öls verbessern. Weil sich nachts jedoch viele Vögel in den Olivenhainen ausruhen und Schutz vor Räubern suchen, geschieht das Unvermeidliche: Sie werden – meist vom Licht wie im Schock erstarrt – ebenfalls eingesogen und sterben.
Zahlreiche geschützte Arten betroffen
Besonders betroffen sind die Anbaugebiete im spanischen Andalusien. Zwischen August und Ende November lassen sich dort mehrere Millionen europäischer Zugvögel nieder – die meisten davon, um dort den Winter zu verbringen. Und zwischen November und März ist Erntezeit für Oliven. Eine Untersuchung der Naturschutzbehörde in Portugal geht davon aus, dass allein in Andalusien jedes Jahr 2,6 Millionen Zugvögel während der Ernte getötet werden, in Portugal sollen es über hunderttausend Vögel sein. Für Frankreich und Italien liegen keine Daten vor. Ein Bericht des Umweltministeriums von Andalusien hält fest, dass unter den getöteten Vögeln auch zahlreiche geschützte Arten sind. Im selben Bericht bestätigen die Behörden, dass viele dieser Vögel an die Gastronomie verkauft werden, die sie als «pajarito frito» anbietet – obwohl diese Praxis illegal ist: «Sowohl nach Angaben der Guardia Civil als auch des Umweltministeriums wird ein grosser Teil der Vögel von den Betreibern der Erntemaschinen oder der Genossenschaften an die ländliche Hotellerie zum Verzehr verkauft.» Ein willkommene Nebeneinnahme, auf die viele Olivenbauern nicht verzichten wollen.
Andalusien wartet zu
Die andalusischen Behörden empfehlen der Regierung, ab diesem Herbst ein Ernteverbot in der Nacht zu erlassen. Das wird auch in verschiedenen Petitionen verlangt, die online lanciert wurden. Bisher hat die andalusische Regierung allerdings kein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Tagsüber stellen die Saugmaschinen für Vögel keine Gefahr dar, weil sie diese rechtzeitig erkennen und wegfliegen können. Es wäre deshalb ein Leichtes, mit einem Nachternteverbot dem Vogelmassaker rasch ein Ende zu setzen.
Coop und Migros nehmen Stellung
Wie so oft, ist die industrialisierte Landwirtschaft mit schuld an diesem traurigen Kapitel. Sie stillt die weltweite grosse Nachfrage nach günstigen Olivenölen. Genau dafür sind der superintensive Anbau und der vollmaschinelle Abbau gedacht: Olivenöle zu einem derart tiefen Preis auf den Markt zu bringen, der sich mit Handarbeit, höchstens unterstützt von harmlosen Rüttelmaschinen, nicht erzielen lässt. Die Parallelen zur inakzeptablen Haltung von Schlachtvieh und dem Verkauf von sogenanntem Billigfleisch im Discounter, wie es in Deutschland immer noch gang und gäbe ist, sind unübersehbar. Der TIERREPORT fragte bei den beiden grössten Schweizer Detailhändlern Coop und Migros nach, ob an den von ihnen verkauften Olivenölen (Vogel-)Blut klebt. Coop antwortete: «Die Oliven für unsere Olivenöle stammen ausschliesslich aus traditionellen Olivenhainen, die bei Tag geerntet werden und von der Thematik nicht betroffen sind.» Auch bei der Migros ist die Problematik bekannt. Allerdings: «Unsere Lieferanten ernten nicht nach dieser Methode. Wir distanzieren uns klar von dieser Erntemethode – diese ist für uns nicht tolerierbar», schreibt die Migros. «In unseren Einkaufsbedingungen für die neuen Ernten wird das Verbot von Nachternten explizit festgehalten.»
Kein Billigöl kaufen
Nicht nur das Vogelsterben wirft einen Schatten auf den Olivenölboom (es ist in der Schweiz das meistverkaufte pflanzliche Öl). Die Auszeichnung «Extra vergine» heisst eigentlich, dass es sich um Öl der ersten Güteklasse handelt. «Achtundneunzig Prozent des in der Schweiz verkauften Extra-vergine-Öls tragen diese Bezeichnung zu Unrecht», sagt der Olivenölexperte Silvan Brun, der Produzenten und Händler berät und selbst hochwertiges Olivenöl vertreibt. Ein «Kassensturz»-Test der meistverkauften «Extra vergine» kam 2016 zum Schluss, dass neun von sechzehn Ölen die Bezeichnung nicht tragen dürften. Dies betrifft vor allem sensorische Faktoren wie Geruch, Geschmack oder Farbe, die nicht erfüllt werden. Es lohnt sich, Olivenöle von kleineren, regionalen Herstellern zu kaufen und beim Preis nicht zu sparen. Ein gutes, traditionell geerntetes und produziertes Olivenöl kostet mindestens acht Franken pro Halbliter.Tags: Tierreport 3/19