Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
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Regional heisst nicht zwingend tierfreundlich

© Adobe Stock

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Regionale Produkte sind gefragter denn je, trotz höherer Preise. Wer meint, mit deren Kauf Gutes für die Tiere zu tun, darf sich aber nicht täuschen lassen: Der Herkunftsnachweis allein garantiert keine artgerechte Tierhaltung. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.

Simon Hubacher

Die Migros setzte letztes Jahr mit regionalen Produkten bereits 940 Millionen Franken um. Coop führt erst seit 2014 mit «Miini Region» ein eigenes Label, der Umsatz betrug 2016 über 170 Millionen Franken – Tendenz steigend. Der Online-Hofladen Farmy holte diesen Sommer mit Denner-Erbe Fabio Borzatta und dem Zürcher Ständerat Ruedi Noser zwei gewichtige Investoren an Bord. Drei Jahre nach dem Start wird Farmy dieses Jahr bereits über sechs Millionen Franken Umsatz erwirtschaften. Und das soll erst der Anfang sein: «Ziel ist es, für ­immer mehr Konsumenten zur Wocheneinkaufadresse zu werden», sagt Farmy-Mitgründer Roman Hartmann.

Grenzwertige Werbebilder

Der Boom ist ungebrochen. Allerdings geben über ein Drittel der Befragten in einer Marktstudie an, dass «bessere Informationen über die Herkunft der Lebensmittel» ihren Konsum an regionalen Produkten erhöhen würden. Tatsächlich nehmen es nicht alle Regionallabels mit der Transparenz so genau. Das gilt vor allem bei Fleisch und Fleischprodukten. Zwar werben viele Labels mit idyllischen Bildern von weidenden Rindern oder Kälbern im freien Auslauf. Doch wegen der largen Tierschutzvorschriften entspricht das nicht durchwegs der bäuerlichen Realität. «Regionalprodukte geben sich gerne einen ökologischen Anstrich», sagt Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz SKS, «das ist grenzwertig.» Denn meistens handle es sich um ganz normale landwirtschaftliche Produkte. Ohne weitere Labels mit Tierwohlanforderungen müssen lediglich die Minimalbedingungen für Tierhaltung und -fütterung erfüllt werden. Als Marktführer bei Regionalprodukten bestätigen Migros und Coop, dass ihre Programme in erster Linie Herkunfts-, und keine Nachhaltigkeitslabels sind. Migros verweist auf die beiden Labels «Terra­Suisse» und «Bio», bei denen strengere Tierwohlvorschriften gelten. Coop hält fest: «Wir streben bei unseren tierischen Produkten aus der Schweiz wenn immer möglich den BTS- oder RAUS-Standard* an.» Den Vorwurf, dass in der Werbung regionale Nähe und Tierwohl unzulässig vermischt würden, weisen beide Grossverteiler zurück. «Das ‹Aus der Region›-Label macht keine Aussagen zur Tierhaltung und suggeriert das auch nicht. Aus diesem Grund können wir diesen Vorwurf nicht nachvollziehen», sagt Migros-Sprecher Luzi Weber. Der Online-Hofladen Farmy gibt an, dass der Anteil an biologisch erzeugten Fleischwaren bei sechzig Prozent liege: «Diese Labels zu unterstützen, und die Transparenz gegenüber unseren Kunden bezüglich Produzent und Herkunft ist für uns sehr wichtig.» Da hat Farmy allerdings noch einiges zu tun. Zum Thema Tierwohl findet der Besucher im gesamten Farmy-Onlineshop kein einziges Wort.

Tierwohl künftig stärker gewichten

Seit diesem Jahr gibt es mit «regio.garantie» ein neues, nationales Gütesiegel für zertifizierte Regionalprodukte. Vier Trägerorganisationen bilden den Verein Schweizer Regionalprodukte; sie vertreten über dreissig Regionalmarken in der ganzen Schweiz, die insgesamt 10 000 Produkte anbieten und zusammen eine Milliarde Franken Umsatz machen. «regio.garantie»-Produkte bestehen zu mindestens achtzig Prozent aus regionalen Zutaten, mindestens zwei Drittel der Wertschöpfung werden in der jeweiligen Region erwirtschaftet. Auch bei «regio.garantie» sucht man vergebens nach strengeren Tierwohlrichtlinien. «Als Basis müssen die gesetzlichen Vorschriften erfüllt werden», sagt Vereinspräsidentin Elisa Domeniconi. Immerhin wurde erkannt, dass die Ansprüche der Konsumenten bezüglich Tierwohl gewachsen sind und Regionalität allein auf Dauer nicht genügen wird. «Wir möchten das Tierwohl künftig stärker gewichten», sagt Domeniconi. «Deshalb intensivieren wir nächstes Jahr die internen Diskussionen mit dem Ziel, gemeinsame Richtlinien auszuarbeiten.»

Lange Übergangsfristen

Den bei «regio.garantie» angeschlossenen Organisationen steht es frei, dem Tierwohl bereits früher mehr Gewicht zu geben. Genau diesen Weg geht «natürli Zürioberland» mit seinen Regionalprodukten. Gestartet mit Milch- und Käseprodukten, werden seit 2014 auch Fleisch- und Backwaren, Honig sowie Getränke bei inzwischen dreihundert Detaillisten und hundert Gastronomiebetrieben im Grossraum Zürich, Aargau und Ostschweiz angeboten. Vor Kurzem wurde ein neuer Passus ins Markenreglement aufgenommen, wonach Bauern mit «natürli»-Fleischprodukten ihre Tiere bis spätestens Ende 2019 nach den BTS/RAUS-Standards halten müssen. Die Übergangsfrist ist lang – aber nötig, um den Betrieben Zeit für die Umstellung zu geben. «Natürlich wäre es mir lieb, wenn die Umstellung schneller möglich wäre», sagt Regionalmanager Michael Dubach. Aus seiner Sicht haben die Regionalmarken eine grosse Chance, höhere Standards für das Tierwohl zu setzen, da ihre Kunden für diese Themen affin und bereit sind, regionale Qualität mit einem Mehrpreis abzugelten. Doch vorerst gilt für die Liebhaber von regionalen Produkten: Neben der Regionalität auch auf das Bio- oder Demeter-Label achten. Und sich nicht von realitätsfremden Werbebildern blenden lassen.

* BTS = Besonders tierfreundliche Stallhaltung
RAUS = Regelmässiger Auslauf im Freien
Landwirte, die sich an diese Standards halten, werden vom Bund finanziell unterstützt.

 

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Tags: Tierreport 4/17, Konsum, Regional

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