Wenn Leckerli zu sehr ins Gewicht fallen
Gut die Hälfte aller Schweizer Hunde und Katzen sind zu dick. © Adobe Stock
Nicht nur bei uns Menschen sind Gewichtsprobleme ein Thema. Auch manche Heimtiere sind zu dick. In der Regel aus demselben Grund wie wir: zu viel Futter und zu wenig Bewegung.
Monika Zech
Als Maja D. aus Zürich sah, wie ihr Kater nur noch mit grösster Mühe durch die Katzenklappe kam, war ihr definitiv klar, dass sie etwas unternehmen musste. Max musste dringend abnehmen. Eigentlich wusste sie schon seit geraumer Zeit, dass er zu dick war. Der Tierarzt hatte es ihr beim letzten Besuch auch gesagt. Sie hatte danach deswegen auch ein schlechtes Gewissen, aber sie schaffte es einfach nicht, Max’ herzzerreissendem Gejammer nach Futter zu widerstehen. Sie gab ihm ja jeweils nur ein kleines Leckerli, gut, vielleicht auch zwei oder drei, damit er in der Zeit zwischen seinen regulären Mahlzeiten zufrieden war.
So wie bei Maja D. läuft es bei vielen Haustierbesitzern. «Schätzungsweise zwanzig bis vierzig Prozent der Hunde und Katzen in der Schweiz sind übergewichtig», sagt Tierärztin Martina Schybli von der Fachstelle Heimtiere beim STS. Die Hauptursache ist dieselbe wie bei uns Menschen, wenn wir zu viele Kilos auf die Waage bringen: Die Tiere futtern mehr, als sie verbrauchen. Wenig Bewegung und gleichzeitig zu viel und energiereiche Nahrung führen unweigerlich zu Übergewicht. Das wiederum kann Auswirkungen auf die Gesundheit der Vierbeiner haben. Zum Beispiel steigt bei Katzen das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Hunde, die zu viele Kilos mit sich herumschleppen müssen, erkranken häufig an den Gelenken. «Besonders gefährlich ist das für grossrassige Hunde, die noch im Wachstum sind», sagt Schybli.
Leckerli mit einberechnen
Es gibt übrigens Rassen, die eher zu Übergewicht neigen als andere. Bei den Hunden sind das beispielsweise Labrador, Golden Retriever oder auch Beagle und Basset, bei den Katzen Maine Coon und Britisch Kurzhaar. Deswegen ist die Rasse aber noch lange kein Grund für Fettleibigkeit; bei gewissen Rassen gilt jedoch, noch mehr darauf zu achten, dass man sie ihrem Energiebedarf entsprechend ernährt. Die Mengenangaben auf den Futterpackungen sind denn auch bloss Durchschnittswerte und nicht auf jedes Tier übertragbar. Ein kleiner Hund etwa braucht logischerweise kleinere Portionen als ein grosser. Stichwort Leckerli: Bei normalgewichtigen Tieren spricht hin und wieder absolut nichts gegen ein paar Leckerli, zum Beispiel als Belohnung beim Training. Ins Gewicht fallen sie, wenn sie regelmässig und zusätzlich zum Hauptfutter verfüttert werden. Deshalb rät Martina Schybli, die abgegebenen Leckerlis von der Gesamtfuttermenge abzuziehen.
Genauso wichtig wie das richtige Mass an Nahrung ist, wie schon erwähnt, genügend Bewegung und Beschäftigung. Es reicht eben nicht, mit dem Hund nur schnell für seine Notdurft nach draussen zu gehen. Als Richtmass gelten mindestens drei Spaziergänge täglich, davon sollten zwei mindestens eine halbe Stunde dauern. Und dabei sollte der Hund sich auch immer wieder mal austoben können, etwa mit Apportier- und Suchspielen; idealerweise sorgt man ausserdem für Abwechslung bei der Streckenwahl, damit er neue Schnupperstationen kennenlernt. Das alles ist übrigens nicht nur gut für die Figur von Hund und Frauchen oder Herrchen, es beugt zudem Verhaltensstörungen vor. Denn Unterbeschäftigung gilt als eine der häufigsten Ursachen für Verhaltensstörungen – nicht nur bei Hunden.
Etwas tun für das Futter
Auch viele Katzen leiden an Langeweile und zeigen entsprechende Verhaltensweisen. Fressen aus lauter Langeweile ist eine davon. Wohnungskatzen sind tendenziell anfälliger für Fettleibigkeit als Freigänger. Das heisse aber nicht, sagt Schybli, dass es keine dicken Freigängerkatzen gebe. «Denn draussen gibt es dafür häufig das Problem der Nachbarsfütterung.» In solchen Fällen hilft oft ein Gespräch, in dem man die betreffenden Leute freundlich, aber bestimmt darauf hinweist, dass diese Extraportionen dem Tier nicht guttun.
Wenn wie im Fall von Maja D.s Kater Max klar ist, dass eine Gewichtsreduktion unumgänglich ist, rät Martina Schybli zu einer Diät – in Absprache mit dem Tierarzt. «Schnelle Abmagerungskuren wie etwa ‹FDH› können für das Tier gefährlich sein.» Der Tierarzt kenne den Gesundheitszustand des Tiers und wisse am besten, welche Diät geeignet sei. Auch Maja D. konsultierte schliesslich deswegen ihren Tierarzt. Dieser verordnete Max zum einen ein kalorienreduziertes Futter, zum anderen gab er Maja D. strenge Verhaltensregeln mit auf den Weg. Sie musste lernen, Max’ Gejammer zu ignorieren, und der Kater musste sich an strikte Fütterungszeiten gewöhnen. Er ist immer noch ein stattlicher Kater, aber er schlüpft wieder durch die Katzenklappe wie in seinen jungen Jahren. Und er bekommt sogar hin und wieder ein paar Leckerli, aber versteckt in einem dieser Futterspielzeuge. Das heisst, er muss ganz schön arbeiten, bis er eines zwischen die Zähne kriegt.
Auch Vögel und Nager betroffen
Übergewicht ist gemäss Martina Schybli auch bei Kaninchen, Nagern, Vögeln und sogar bei Reptilien ein Thema. Wird nicht rechtzeitig etwas dagegen unternommen, droht beispielsweise Leberverfettung, was tödlich enden kann. Grund für das Übergewicht ist ebenfalls übermässige Fütterung bei gleichzeitigem Bewegungsmangel. «Meist sind die Tiere in diesen Fällen in zu kleinen Gehegen gehalten, wo ihnen die Möglichkeiten und Anreize
zur Beschäftigung fehlen», sagt die STS-Heimtierexpertin. Ein Gehege mit genügend Volumen und Strukturen, die für Beschäftigung sorgen, ist jedoch Voraussetzung für eine artgerechte Haltung! Bei Kaninchen und Meerschweinchen tragen gemäss Martina Schybli sogenannte Nagersticks viel zum Übergewicht bei. Der Kleber, der die Körner zusammenhalte, sei häufig auf Zuckerbasis. Sie rät deshalb, möglichst auf solche «Leckereien» zu verzichten. Genauso wenig brauchen Kaninchen und Meerschweinchen das kalorienreiche Körnerfutter. «Ausser säugende und trächtige Weibchen mit Jungen sowie Tiere im Winter, wenn sie draussen gehalten werden.»
Tags: Hunde, Tierreport 1/18, Katzen, Übergewicht