Königsdisziplin Gruppenauslaufhaltung
Königsdisziplin Gruppenauslaufhaltung (© FOTOLIA)Zweifellos ist die permanente Gruppenauslaufhaltung die pferdefreundlichste Haltungsform. Allerdings setzt diese ein gutes Stallmanagement voraus und verlangt auch gewisse Kompromisse vom Pferdebesitzer.
Sandra Schaefler, Zoologin, STS-Fachstelle Heimtiere und Pferde
Noch heute werden die meisten Pferde in der Schweiz in Einzelboxen gehalten – Weidegang und permanenter Auslauf, wie es pferdegerecht wäre, sind gesetzlich nicht vorgeschrieben. Viele Besitzerinnen und Besitzer wollen für ihre Pferde keine Gruppenhaltung, weil sie sich vor Verletzungsgefahren fürchten und keine Verschmutzung in Kauf nehmen wollen. Pferde sind jedoch Herdentiere. In der freien Natur sind sie praktisch in ständiger Bewegung – nur so können sie ihre artgemässen Bedürfnisse ausleben.
Erfreulicherweise ist mittlerweile ein vermehrter Trend zur Gruppenhaltung feststellbar. Auch hier werden die meisten Pferde jedoch nachts alleine in ihren Boxen gehalten. Dies entspricht in den meisten Fällen den Wünschen der Pferdebesitzer. Viele Halterinnen und Halter sind überzeugt, dass ihr Pferd nachts Ruhe brauche und das Futter so besser auf das Alter, Temperament und die Nutzung abgestimmt werden könne.
Wissen und Erfahrung erforderlich
Tatsache ist, dass die permanente Gruppenauslaufhaltung (Tag und Nacht) hohe Ansprüche an Wissen, Können und Geduld des Stallbesitzers stellt und deshalb die «Königsdisziplin» der Pferdehaltung darstellt. Denn wie bei allen tierfreundlichen Haltungssystemen kommen die Vorteile der Gruppenauslaufhaltung nur dort für die Pferde voll zum Tragen, wo der Faktor Mensch stimmt.
Voraussetzungen für eine funktionierende dauerhafte Gruppenhaltung sind genügend Platz und Rückzugsmöglichkeiten, sodass jedes Pferd seine Ruhe findet und bei Bedarf für sich allein sein kann. Denn Pferde müssen einander ausweichen können. Hierfür eignen sich Sichtschutz und mehrere Stalldurchgänge. Die gesamte Anlage sollte in verschiedene Funktionsbereiche eingeteilt sein (Fress-, Liege- sowie Aufenthalts-/Bewegungsraum). So können auch rangniedrigere Pferde in Ruhe fressen und schlafen. Beispielsweise mithilfe von separierten Fressständen, einem Heuspund mit zeitlicher Heufreigabe oder Futterautomaten kann auch in permanenten Gruppenhaltungen eine gezielte Fütterung sichergestellt werden.
Vorteile der permanenten Gruppenauslaufhaltung
(© Matthias Brunner)Pferde fressen über 18 Stunden pro Tag, wobei sie die meiste Zeit in Bewegung sind. Die Einzelhaltung in Boxen kann diesen Bedürfnissen nicht gerecht werden. Von Natur aus sind der Magen und Verdauungstrakt der Pferde so konzipiert, dass immer genügend Nahrung «nachgeliefert» werden muss. Im Optimum sollte eine Fressruhepause nicht länger als zwei Stunden betragen. Wenn Pferde nachts nur Sägespäne und Liegematten in ihren Boxen zur Verfügung haben, ist dies nicht gewährleistet.
Pferde fressen bei längeren Weidegängen oftmals nicht mehr als bei kürzeren. Studien haben gezeigt, dass die Pferde bei kürzeren Weidegängen einfach schneller fressen.
Gemischte Herden sind optimal: Junge Pferde werden von alten erzogen, alte Pferde werden von den jungen zum Spielen animiert und somit jung gehalten, Stuten und Wallache können tiefe Freundschaften eingehen.
Auch das Liegen zusammen mit mehreren Pferden ist für die Pferdeseele Balsam, vor allem dann, wenn noch ein Pferd wie in freier Wildbahn «Wache» hält.
Die häufigsten Erkrankungen bei Pferden betreffen die Atemwege, die Verdauungsorgane und den Bewegungsapparat. Bei der Boxenhaltung entstehen häufiger Atmungserkrankungen, Koliken, Stehschäden und allenfalls auch Verhaltensstörungen. Pferde in Gruppenhaltungen haben viel mehr Bewegung und Sozialkontakte und sind deshalb häufig physisch und psychisch gesünder. Das verringert auch die Tierarztkosten und steigert die Lebenserwartung.
Pferde schlafen nicht wie etwa Hühner oder Schweine während der ganzen Nacht. Vielmehr nutzen sie die Dunkelphase auch zum Fressen und Herumgehen, genau gleich wie das auch Rinder tun. Die freie Bewegung ist für das Pferd aus gesundheitlichen Gründen wichtig – Koliken können so verhindert werden!
Bei der permanenten Gruppenhaltung mit Auslauf bleibt die Grundmuskulatur erhalten, auch im Winter oder wenn die Pferde nicht trainiert werden. Pferde mit grossem, dauerhaft zugänglichem Auslauf erreichen zudem eine bessere Wärmeregulierung des Körpers und sind so robuster.
Die Pferde sind durch Gruppenhaltung nicht nur wesentlich ausgeglichener und gesünder, sondern auch selbstständiger und sicherer. Sie sind verschiedensten Reizen ausgesetzt, die es in der Box nicht gibt. So werden auch Spannungen vermieden, die sich sonst beim Pferd explosiv entladen können.
Der Arbeitsaufwand für den Stallbetreiber ist wesentlich geringer. Ebenfalls müssen keine einzelnen Boxen gebaut werden, sodass Investitionskosten gesenkt werden können.
Gruppenauslauf im Winter
Auch im Winter ist eine Gruppenauslaufhaltung inklusive Weidehaltung an geeigneten Tagen gut umsetzbar. Pferde weisen von Natur aus eine grosse Kältetoleranz auf und haben viel weniger Probleme mit den tiefen Temperaturen als der Mensch. Die meisten Pferde brauchen auch keine Decke (Ausnahmen sind je nachdem empfindliche oder geschorene Pferde und ältere Tiere). Im Gruppenauslauf können sich die Equiden frei bewegen und so die Muskeln warm halten. Die frische Luft ist gesund für die Atemwege. Einigen wichtigen Aspekten muss jedoch Rechnung getragen werden: Die Pferde sollten unter anderem über genügend Unterstände und windgeschützte Liegeflächen verfügen. Wenn sie nach einer Nutzung schwitzen, müssen sie getrocknet werden. Weiter darf der Bodengrund nicht zu matschig und nass oder kotverschmutzt sein (idealer Nährboden für Krankheitserreger). Auch tiefe Löcher und rutschige Flächen sind Gefahren, die unbedingt vermieden werden sollten. Besondere Vorsicht ist bei Eisglätte geboten.
Der STS zeichnet permanente Gruppenauslaufhaltung mit dem STS-Pferdelabel aus. Weiter führt er auch Beratungen vor Ort durch.
Mehr Informationen unter: www.tierschutz.com/pferde oder via E-Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tags: Tierreport 4/15