Laufsteg der Kühe
Laufsteg der Kühe © STS
Viehschauen sollten eigentlich als Vorbild für die Haltung und Zucht von Nutztieren dienen. Doch der STS hat herausgefunden, dass das Gegenteil zutrifft. Ein Rechercheteam hat erschreckende Zustände festgestellt: Kühe mit überquellenden Eutern, die Zitzen mit Sekundenkleber abgedichtet. Dazu werden die Tiere zu unnatürlichen Kunstobjekten hochgestylt.
Matthias Brunner
Man wähnt sich vor einer Misswahl: Da wird gebürstet, geföhnt, mit Haarscheren und Rasierapparaten hantiert und gesprayt, was das Zeug hält. Doch statt junger Damen posieren hier Kühe. Denn es handelt sich eigentlich um eine ganz normale Viehausstellung, um so seine Zuchterfolge zu präsentieren. Während es früher darum ging, einfach die schönste Kuh zu küren, so gleichen diese Veranstaltungen immer mehr einer inszenierten Las-Vegas-Show.
Früher reichten ein Striegel und eine Bürste aus, um die Tiere sauber zu kriegen. Heute sind eigens spezialisierte «Kuhstylisten» am Werk, um die Tiere mit beträchtlichem Aufwand für ihren grossen Auftritt vor dem Publikum in der Arena herauszuputzen. Dabei werden unter anderem das Euter und der Schwanz bis auf die Quaste kahl rasiert und sogar die Tasthaare am Kopf abgeschnitten. Übrigens: Bei Pferden ist das Entfernen der Tasthaare gesetzlich ausdrücklich verboten!
Säuberung mit Hochdruckreiniger
Fachleute des STS besuchten in diesem Jahr die EXPO Bulle, die Swiss Expo Lausanne sowie die Tier & Technik in St. Gallen und dokumentierten die angetroffenen Zustände ausführlich. An allen drei Viehschauen präsentierten sich den STS-Mitarbeitenden ähnliche Bilder: Sobald die Kühe im Ausstellungsgelände angekommen sind, werden die meisten von ihnen zuerst mit einem Hochdruckreiniger abgespritzt – der harte Wasserstrahl ist alles andere als eine sanfte Reinigungsmethode, um den Stallschmutz zu entfernen. Etliche Tiere versuchen auszuweichen und zeigen deutlich erkennbare Abwehrreaktionen.
Zum Stillhalten gezwungen
Anschliessend werden die Kühe einzeln in einen engen Fixierstand gebracht, wo ihnen der Kopf an einem Galgen hochgebunden wird. In dieser unnatürlichen Haltung ist die Kuh praktisch unfähig, sich zu bewegen oder sich in irgendeiner Art gegen die Manipulationen zu wehren. Das aufwendige Styling dauert mehrere Stunden. Während dieser Zeit muss die Kuh die ganze Prozedur praktisch regungslos über sich ergehen lassen. Dabei gehen die Kuhstylisten unzimperlich vor, indem sie Schwanzklammern verwenden oder den Schwanz mitsamt der Schwanzwurzel nach oben biegen, was sehr schmerzhaft ist für das Tier.
Jahrelang hat sich der STS gegen das übertriebene Styling von Tieren eingesetzt. Bei Hundeausstellungen ist das Fixieren von Tieren als Konsequenz untersagt, und nur noch Bürsten und Kämme sind als Hilfsmittel erlaubt. Da ist es grotesk, wenn nun «Showkühe» noch exzessiver gestylt werden. Aus Sicht des Tierschutzes wird hier ein völlig falsches Bild der Nutztiere vermittelt und die Tierwürde verletzt.
Verletzung der Tierschutzverordnung
Ein besonders tierschutzrelevantes Beispiel dafür ist, wie das Euter absolut in den Vordergrund gerückt wird. Viele Kühe tragen prallvolle Euter, an denen die Sehnen und Adern hervorquellen – deutliche Anzeichen dafür, dass die Zwischenmelkzeiten überschritten werden. Wegen des gespannten, empfindlichen Euters spreizen diese Tiere die Hinterbeine unnatürlich weit ab, da ihnen das Gehen schwerfällt. Bei den meisten Kühen ist überdies zu beobachten, dass die Zitzen mit Klebstoff verklebt sind, damit keine Milch mehr heraustropfen kann. Wie die Konsumentensendung Kassensturz auf SRF 1 berichtete, kommt eine vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV in Auftrag gegebene Studie zum Schluss, dass nach 24 Stunden ohne Melken bei allen Testkühen Milch auslief und viele Tiere Ödeme im Euter bildeten. Professor Adrian Steiner, Leiter der Studie, wird folgendermassen zitiert: «Viele Euter an Viehausstellungen werden sicher länger als 12 bis 14 Stunden nicht gemolken.» Dies ist ein klarer Verstoss gegen die Tierschutzverordnung, in der klipp und klar steht, dass «mechanische, physikalische oder elektrische Eingriffe am Euter und lange Zwischenmelkzeiten, welche die natürliche Form des Euters verändern oder zu einem unnatürlichen Füllungszustand führen», verboten sind.
Zwar ist dies unter anderem im sogenannten «Ehrenkodex» der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR) ähnlich festgehalten, doch scheint dieser in der Praxis kaum von irgendjemandem beachtet noch kontrolliert zu werden. Dies hat sich auch daran gezeigt, dass Kühe während der ganzen Ausstellungsdauer kurz angebunden waren, sodass sie sich nicht einmal richtig umdrehen konnten, und auch der Umgang mit den Tieren beim Vorführen teilweise sehr ruppig war.
Das fordert der STS
Eigentlich müssten Ausstellungen in Bezug auf die Haltung und den Umgang mit Tieren eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Bund die Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR) mit insgesamt 700 000 Franken (davon allein 170 000 Franken für die Expo Bulle) unterstützt, erwartet der STS, dass die eingesetzten Gelder zur Förderung der Tierzucht nicht in tierschutzwidrige Praktiken investiert werden, sondern auch dem Tierwohl an den Ausstellungen zugutekommen. Von den Behörden und Ausstellern fordert der STS konsequente Tierschutzkontrollen, ein Verbot tierschutzwidriger Praktiken und den Ausschluss fehlbarer Züchter.
Die vollständigen Recherchen von den besuchten Viehschauen gibt es hier.
Tags: Tierreport 2/16