Tierreport – Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS
Tierreport – Offizielles Organ des schweizer Tierschutz STS

Wider die Natur

  • Wider die Natur (©fotolia)

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  • Wider die Natur (©istockphoto)

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Wider die Natur (©fotolia)Wenn Veganer ihre Lebensweise ihren Katzen und Hunden aufzwingen, handeln sie alles andere als tierschützerisch. Denn vegane Fütterung ist für diese Tiere, die von Natur aus Fleischfresser sind, nicht artgerecht.

Monika Zech, Freie Journalistin

Vegan leben liegt im Trend. Es gibt immer mehr Kochbücher für die vegane Küche und Zeitschriften, welche die vegane Lebensweise propagieren. In den Städten werden vegane Boutiquen und Restaurants eröffnet, und auch die Grossverteiler wie Coop und Migros bieten eine stets grössere Palette an veganen Produkten an. In der Schweiz sind es gemäss Schätzungen mittlerweile zwischen zwanzig- und vierzigtausend Personen, die bewusst und konsequent auf tierische Produkte verzichten. Nicht nur beim Essen, sondern auch bei anderen Konsumgütern.

Wer sich für die vegane Lebensweise entscheidet, lehnt nicht nur die Massentierhaltung, sondern generell die Haltung von Nutztieren ab, wie auch das Jagen und Fischen. Vegan leben heisst also, nicht nur auf Fleisch zu verzichten, sondern ebenso auf Fisch, auf Eier und sämtliche Milchprodukte, auf Schuhe und Kleider aus Leder sowie auf Kosmetika oder andere Erzeugnisse, die irgendwelche Zusätze tierischen Ursprungs enthalten. Manche Veganer gehen in ihrer Konsequenz so weit, dass sie auch ihre Hunde und Katzen fleischlos ernähren. Ihr Argument: Es sei absurd, seine Katze oder seinen Hund zu lieben, andere Tiere aber vorsätzlich quälen und töten zu lassen.

Physiologisch klar auf Fleisch eingestellt

Der STS hat dazu eine klare Haltung: Eine fleischlose Ernährung von Katzen und Hunden ist nicht artgerecht! «Katzen zum Beispiel sind reine Fleischfresser und physiologisch gar nicht in der Lage, pflanzliche Nahrung genügend zu verwerten», sagt Martina Schybli, Tierärztin und beim STS für die Fachstelle Heimtiere zuständig. «Katzen haben – typisch für Fleischfresser – einen sehr kurzen Darm, denn Fleisch wird viel schneller verdaut als pflanzliche Kost.» Zum Vergleich: Der Darm eines Menschen, der als Allesfresser gilt, ist sechs Mal länger als der einer Katze; der eines Schafs – ein reiner Pflanzenfresser – sogar 24 Mal länger. Ein weiterer Hinweis, dass pflanzliche Nahrung nicht der Natur einer Katze entspricht, ist gemäss Schybli deren Gebiss mit den Eck- und Reisszähnen: «Das Gebiss hat überhaupt keine Mahlfunktion.»

Bei Hunden sehe es ein bisschen anders aus, «sie vertragen mehr», so Schybli. Hunde könnten Getreide besser verdauen als Katzen, aber auch sie seien von Natur aus Fleischfresser und bräuchten nun mal bestimmte Nährstoffe, die im Fleisch enthalten seien. «Man könnte ihnen diese zwar schon auch als Nahrungsergänzungsmittel zuführen, aber damit die Menge und das Verhältnis stimmen, sollte man unbedingt eine Ernährungsberaterin hinzuziehen.»

Wider die Natur (©istockphoto)

Das gilt aber, wie Schybli betont, ausschliesslich für gesunde Hunde. Keinesfalls für Welpen oder trächtige und säugende Hündinnen. «Die haben ohnehin einen erhöhten Nährstoffbedarf – sie rein vegan oder vegetarisch zu ernähren, wäre gefährlich und letztlich verantwortungslos.» Es stelle sich ohnehin ganz grundsätzlich die Frage, wie artgerecht eine vegane Ernährung für naturgemäss fleischfressende Tiere sei – auch wenn diese alle Nährstoffbedürfnisse abdeckt. Und weshalb jemand, der Fleisch so kategorisch ablehne, überhaupt eine Katze oder einen Hund habe. «Viel logischer und wirklich konsequent wären dann doch Meerschweinchen oder Kaninchen.»

Synthetisches Zusatzfutter aus dem Labor

«Eine fleischlose Ernährung von Katzen und Hunden ist nicht artgerecht! Katzen zum Beispiel sind reine Fleischfresser und physiologisch gar nicht in der Lage, pflanzliche Nahrung genügend zu verwerten»

Anders sieht das Renato Pichler, Präsident von Swissveg, der Informationsstelle für eine pflanzenbasierte Lebensweise: Es gebe unzählige Beispiele von Katzen und Hunden, die vegan ernährt würden und sehr gesund seien. «Sogar gesünder als solche, die Fleisch bekommen.» Das belegten auch diverse Studien. Schliesslich sei es keineswegs artgerecht, Katzen und Hunden Fleisch von Grosssäugetieren zu verfüttern. «Oder haben Sie schon einmal eine Katze eine Kuh reissen sehen?» Komme noch hinzu, dass das industrielle Fertigfutter kaum hochwertiges Fleisch, sondern vor allem Schlachtabfälle wie Augen, Häute und Därme enthalte. «Das ist ganz üble Nahrung», sagt Pichler, «ohne Zusätze ginge das nicht.» Mit den Zusätzen gegen die vegane Fütterung zu argumentieren, gehe also nicht auf. Auch da würden die benötigten Nährstoffe wie Taurin, Mineralstoffe und bestimmte Vitamine als Nahrungsergänzung zugeführt. «Ausser dass im veganen Tierfutter hochwertige Rohstoffe sind – wo ist denn da der Unterschied?» Abgesehen davon, dass es viele Argumente gegen die vegane Ernährung von Hunden und Katzen gebe, sei der Unterschied schlicht und einfach der, dass einige der für Katzen und Hunde lebenswichtigen Nährstoffe tierischen Ursprungs seien, sagt Annette Liesegang, Professorin am Institut für Tierernährung der Universität Zürich. Diese Stoffe seien in Pflanzen gar nicht oder nur schlecht verfügbar. «Natürlich können diese auch synthetisch zugefügt werden», wobei man sich dann schon die Frage nach dem Sinn einer solchen Fütterung stellen müsse. «Weshalb soll man im Labor künstlich herstellen, was natürlicherweise im tierischen Produkt enthalten ist? Wie ökologisch ist das denn, wenn man alles irgendwo herholen muss?» Ebenso fraglich sei, wie eine Fütterung mit den vielen synthetischen Zusätzen noch als gesund bezeichnet werden könne. «Wenn Menschen für sich die vegane Lebensweise wählen, sollen sie das tun, ich bewundere sie sogar für ihre Konsequenz», sagt Liesegang, «aber sie den Tieren gegen ihre Natur aufzuzwingen, halte ich ethisch für nicht vertretbar.»

«Eine fleischlose Ernährung von Katzen und Hunden ist nicht artgerecht! Katzen zum Beispiel sind reine Fleischfresser und physiologisch gar nicht in der Lage, pflanzliche Nahrung genügend zu verwerten»

Dr. med. vet. Martina Schybli, STS-Fachstelle Heimtiere und Tierärztliche Beratungsstelle

Tags: Tierreport 2/15

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